Testosteronmangel im Alter

„Es gibt Männer, die wie die Frauen ein Klimakterium zeigen und zur Zeit ihrer abnehmenden Potenz und steigenden Libido Angstneurose produzieren“

Sigmund Freud, 1856

Mehrere Jahrhunderte hat sich die praktische Medizin fast ausschließlich den hormonellen Veränderungen der Frauen im Alter gewidmet. Zahlreiche Publikationen beschäftigten sich beispielsweise mit weiblicher Zeugungsfähigkeit, Anfang der Periode (Menarche), Menopause und Klimakterium. Erst seit Ende der 1990er Jahre stieg das Interesse für den alternden Mann und die damit einhergehenden Veränderungen des Hormonhaushalts.

Wissenschaftlich gesehen sollte man nicht von einem Klimakterium beim Mann sprechen, sondern von einem Testosteronmangel im Alter oder Altershypogonadismus. Unter diesen Fachbegriffen versteht man die klinische Symptomatik, die mit dem Abfall des bioverfügbaren Testosterons vergesellschaftet ist.

Testosteron ist ein Sexualhormon, das sowohl bei einem Mann, als auch bei einer Frau produziert wird. Die Menge und Wirkung unterscheiden sich jedoch stark. Bei einem Mann bewirkt das Testosteron die Entwicklung der Geschlechtsorgane, sorgt für die Spermienproduktion und das äußerliche männliche Aussehen (Aufbau der Muskelmasse, Typ der Fettablagerung, Haarwachstum, Stimme) und spielt in Psychologie, Verhaltensweise, Sozialisierung sowie Selbstwahrnehmung eine wichtige Rolle.

Testosteron wird hauptsächlich von den Hoden (Leydig-Zellen) produziert und gelangt in die Blutbahn in zwei Formen: gebunden (an Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und Albumin) und ungebunden. Die ungebundene Form beträgt lediglich nur 1 – 2% des Gesamttestosterons, ist aber für die biologische Wirkung verantwortlich.

Ab dem 50. Lebensjahr (laut einiger Publikationen sogar ab dem 30. Lebensjahr) sinkt der Testosteronspiegel im Blut um etwa 1% pro Jahr. Gleichzeitig steigt die Konzentration des SHBG. Dadurch kommt es mit dem Alter zum Abfall des bioverfügbaren Testosterons.

Folgende Symptome / Veränderungen können durch Testosteronmangel im Alter verursacht werden:

  • Störungen der Sexualität (Libido-Minderung, Erektile Dysfunktion, Ejakulationsstörungen)
  • Zeugungsfähigkeitsstörungen
  • Osteoporose (Beschleunigung des Knochenabbaus, Knochenbruch-Anfälligkeit)
  • Abbau von Muskelmasse
  • Gewichtszunahme
  • Soziale und psychologische Veränderungen (Müdigkeit, Depression, Leistungsminderung, Änderung der Selbstbeurteilung, innere Anspannung, Hitzewallungen, Schlafstörung)

Die Bestimmung des Testosteronwerts ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Diagnostik, dafür ist die Entnahme einer Blutprobe erforderlich. Aufgrund der Tagesrhythmik wird die Blutabnahme zwischen 8 und 11 Uhr bevorzugt. Bei einmaligem Nachweis eines erniedrigten Wertes ist eine zweite Messung erforderlich. Dabei werden auch weitere männliche Hormone, die für die Regulation und Funktion der gesamten Hormonachse zuständig sind, überprüft.

Selbstbewertungen mit Fragebögen (AMS und IEFF-5) sind für die Zusammenfassung der entsprechenden Symptome sowie Feststellung des Schweregrades des Testosteronmangels hilfreich, können aber ein vertrauensvolles Gespräch mit einem Facharzt nicht ersetzen. Gleichwohl ist es sinnvoll, diese bereits vor dem ärztlichen Kontakt selbständig auszufüllen.  Informationen über eventuell vorliegende Begleiterkrankungen oder das Vorhandensein eines sogenannten metabolischen Syndroms sind unverzichtbar.

Sollte bei Ihnen ein klinisch bedeutsamer Testosteronmangel festgestellt werden, kann eine Testosteronsubstitution sinnvoll sein. Die Gabe des Testosterons kann in verschiedenen Formen erfolgen:

  • Applikation an der Haut (Gel oder Pflaster)
  • Spritze
  • Tablette
  • Testosteronimplantate unter der Haut

Eine Testosteronsubstitution bedarf regelmäßiger Kontrolluntersuchungen, da:

  • Prostatakarzinom und Mammakarzinom hormonabhängig sind
  • die Therapie zu einer Polyzythämie („Blutverdickung“) mit erhöhtem Thrombose-Risiko führen kann
  • Leberfunktion sowie Fettstoffwechsel beeinträchtigt werden können

Kontrolluntersuchungen erfolgen ca. 4 – 6 Wochen nach Therapiebeginn und sodann meist 3-monatlich innerhalb des ersten Jahres. Anschließend können jährliche Untersuchungen ausreichend sein.

Eine Testosteronsubstitution sollte nicht bei fraglichem oder gesichertem Prostatakarzinom, bei einem Mammakarzinom sowie unbehandelter Schlafapnoe eingesetzt werden. Ferner sollte die Therapie bei Gynäkomastie, Lebererkrankungen, Wasseransammlungen (Fachsprachlich: Ödeme) mit Vorsicht durchgeführt werden.

Neben den Möglichkeiten der medikamentösen Therapie des Testosteronmangels wird Sie Ihr Facharzt über praktische Verhaltensmaßnahmen informieren. Dazu gehören beispielsweise eine ausreichende Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr, körperliche Aktivität, Diäten, Gewichtskontrollen, Vermeidung von schädigenden Stoffen wie Alkohol und Nikotin. Die Therapie der Erektilen Dysfunktion beim Testosteromangel im Alter unterscheidet sich nicht von der Therapie bei jüngeren Männern. Schließlich ist das Alter doch nur eine Zahl! Je höher sie wird, desto wertvoller ist sie.

Bitte beachten Sie, dass nicht alle Versicherer sämtliche diagnostischen und therapeutischen Leistungen übernehmen.